Forschungsprojekt zur Entscheidungsfindung

Innovative Ansätze für Erforschung und Therapie psychischer Erkrankungen

15. Juli 2025

•    Manche Menschen treffen blitzschnell lebensverändernde Entscheidungen, andere sind durch zu viele Optionen wie gelähmt.
•    Diese Entscheidungsprobleme verursachen erheblichen Leidensdruck, insbesondere bei Patienten mit Schizophrenie oder Zwangsstörungen.
•    Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik untersucht die zugrundeliegenden Gehirnmechanismen.
•    Das Projekt erhält rund 6 Mio. Euro Fördermittel von der Stiftung Wellcome Trust.

Ob wir uns für eine Fernsehserie entscheiden oder eine wichtige Lebensentscheidung treffen – das Sammeln und Bewerten von Informationen ist ein zentraler Bestandteil unseres Denkens. Doch was passiert, wenn dieser Prozess aus dem Gleichgewicht gerät? Manche Menschen neigen dazu, vorschnell zu handeln und zu wenige Informationen zu berücksichtigen. Andere wiederum sammeln endlos Daten, ohne je zu einer Entscheidung zu kommen.

Entscheidungsverzerrungen bei Schizophrenie und Zwangsstörungen

Diese Probleme können bei bestimmten psychischen Erkrankungen besonders ausgeprägt sein. Menschen mit Schizophrenie treffen oft übereilte Entscheidungen und vertrauen diesen übermäßig – ein Phänomen, das als „Jumping-to-Conclusions“ bezeichnet wird und mit der Entstehung von Wahnvorstellungen in Verbindung steht. Bei Zwangsstörungen hingegen dominiert das Gegenteil: Betroffene zweifeln ständig und sammeln selbst bei einfachen Fragen stundenlang Informationen.

Obwohl diese Entscheidungsschwierigkeiten großen Leidensdruck erzeugen, werden sie bislang kaum gezielt behandelt. Welche Prozesse im Gehirn ihnen bei Schizophrenie und Zwangsstörungen zugrunde liegen, ist nach wie vor unklar. Genau hier setzt das Forschungsprojekt an: „Unser Ziel ist es, die neuronalen Mechanismen, die zu diesen verzerrten Denkmustern führen, zu entschlüsseln und mithilfe von neusten computergestützten Modellen neue Therapien für die Behandlung der Symptome zu entwickeln. Wir wollen herausfinden, ob die Symptomatiken bei beiden Krankheitsbildern durch ähnliche neuronale Veränderungen bedingt sind“, erklärt Tobias Hauser, Professor an der Tübinger Universitätsklinik und Leiter des Vorhabens. „Durch die Erforschung der sich ähnelnden Symptomatik bei beiden psychischen Erkrankungen wollen wir auch ein Stück weit mit dem Stigma brechen, das auf Schizophrenie und Zwangsstörungen lastet“.

Ein umfassender Forschungsansatz

Das im Februar 2026 startende Projekt verfolgt einen kombinierten Ansatz: Zum einen wollen die Forschenden mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie den bislang größten Datensatz zu Unentschlossenheit bei Zwangsstörungen sowie zu Jumping-to-Conclusions bei Schizophrenie erheben. Zum anderen wollen sie im Modellorganismus Maus untersuchen, inwieweit die Veränderung der Dopaminfunktion während der Informationsbeschaffung die neuronalen Netzwerke bei der Entscheidungsfindung beeinflusst. „Wir wissen bereits, dass Dopamin verschiedene Schlüsselrollen bei der Entscheidungfindung spielt”, kommentiert Peter Dayan, Direktor am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, der die Modellierung aller Forschungsdaten übernimmt – von den Mausmodellen bis zu den Patientendaten. „Es kodiert unerwartete Veränderungen bei Langzeitergebnissen, was für die Gestaltung unseres Verhaltens entscheidend ist. Das vollständige Bild seiner Rolle, Variabilität und Fehlfunktionen ist jedoch noch unklar.”

Bessere Therapien für mehr Lebensqualität

Langfristig soll das Projekt dazu beitragen, gezielte Therapien zu entwickeln, die direkt an den gestörten Entscheidungsprozessen ansetzen. Damit könnte sowohl Menschen geholfen werden, die zu schnellen Schlussfolgerungen neigen, als auch jenen, die sich in endlosen Gedankenschleifen verlieren.

Die Forschungsinitiative ist auf fünf Jahre angelegt. Beteiligt sind auch das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, das National Institute Of Mental Health & Neuro Sciences in Bengaluru (Indien) sowie die Fundació de Recerca Clínic Barcelona (Spanien).
Der Wellcome Trust wurde 1936 gegründet und investiert jährlich nahezu eine halbe Milliarde in biomedizinische Studien, insbesondere in Grundlagenforschung.

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